Kurzer historischer Rückblick und das Naturschutzgroßprojekt „Kellerwald-Region“

Erste Siedler*innen fanden vor über 1.400 Jahren ihre Heimat in den Wäldern und an den Bachtälern des Kellerwaldes. Was passierte mit dem Gebiet bis zur Nationalpark-Gründung im Jahr 2004?

Vor der Zeit des Nationalparks

Erste Siedlungen auf dem Gebiet sind aus der Frankenzeit (600 - 800 n.Chr.) nachweisbar. Das raue Klima, Krieg und Pest führten jedoch dazu, dass Siedlungen immer wieder aufgegeben wurden. Als Spuren früherer Nutzungsformen sind heute noch erkennbar:

  • Ackertrassen
  • Ascheplätze zur Herstellung von Pottasche
  • Hohlwege
  • Köhlerplatten (zur Herstellung von Holzkohle)
  • Triescher/Driescher (extensiv genutzte Waldweiden und Huteflächen)

Ein Nationalpark entsteht

Buchenwald

Vom fürstlichen Jagdrevier zum Schutzgebiet

1700 – 1918
Jagdrevier der Waldecker Fürsten
ab 1929
preußische, später hessische Staatsjagd
während der NS-Zeit
Überlegungen, ein „Reichsnaturschutzgebiet“ auszuweisen
1963
Wildschutzgebiet
1990
Das Wildschutzgebiet wird zum Waldschutzgebiet umgewandelt, einem kombinierten Natur- und Landschaftsschutzgebiet
1991
Das Gebiet wird Bannwald und ist als solcher nach dem Hessischen Waldgesetz in seiner Flächensubstanz in besonderem Maße schützenswert
1994
Aufnahme in die LEADER -Region Kellerwald
1998 - 2000
Ausweisung als FFH- und Vogelschutzgebiet
2001
Der Naturpark Kellerwald-Edersee wird gegründet, dessen Kern der heutige Nationalpark ist
2004
Ausweisung des Nationalparks Kellerwald-Edersee
2005
Naturschutzgroßprojekt „Kellerwald-Region“ mit dem Nationalpark als Kerngebiet wird bewilligt
2011
Anerkennung als UNESCO-Weltnaturerbe

Zertifizierung als Nationalpark Kategorie II durch die Weltnaturschutzunion IUCN
2019
Ende der Förderphase zum Naturschutzgroßprojekt „Kellerwald-Region“
2020
Erweiterung des Nationalparks durch die Flächen nördlich und östlich des Edersees um 1.950 Hektar

Das Naturschutzgroßprojekt „Kellerwald-Region“

Mit dem Förderprogramm chance.naturÖffnet sich in einem neuen Fenster beteiligt sich der Bund an Naturschutzvorhaben, die im internationalen Vergleich beispielhaft das Engagement des Naturschutzes in Deutschland belegen.

Ende 2005 wurde das Naturschutzgroßprojekt „Kellerwald-Region“ bewilligt, mit dem Nationalpark als Kerngebiet. 2019 erfolgte der Abschluss der Förderphase.

Maßnahmen im Nationalpark

Stellenweise ist selbst im Nationalpark die Naturnähe beeinträchtigt, auch bei den Bächen:
In der Vergangenheit wurden zur Wegeführung Verrohrungen, Längsverbauungen und Aufstauungen vorgenommen, die so weit wie möglich zurückgebaut werden sollten, damit die Bäche sich anschließend selbst regenerieren konnten.

Deshalb wurden folgende Maßnahmen umgesetzt:

  • Wegequerungen vorrangig zu naturnahen Furten umgebaut
  • Rohre und Uferbefestigungen aus dem Bachbett entfernt
  • Dämme und Überführungen zurückgebaut

Im 19. Jahrhundert durch Saat eingebrachte Kiefern prägten den felsigen Hang an der Banfebucht und beschatteten die Felsrasen. Die Pfingstnelke drohte unter dem Kiefer-Nadelfall zu „ersticken“ und war kaum mehr ausbreitungsfähig.
Die größten und bedeutendsten Pfingstnelken-Felsfluren Mitteldeutschlands mussten vollständig und nachhaltig gesichert werden, indem dort Kiefern entnommen wurden. Das Verfahren war aufwändig: Um die Bäume zu entfernen, ohne das Pfingstnelken-Vorkommen zu schädigen, wurden sie im Januar 2011 mit Hilfe eines Helikopters und mehrerer Baumkletterer selektiv aus dem Hang „gepflückt“.

Zwar wächst im Nationalpark Kellerwald-Edersee Wildnis von morgen heran, doch an wenigen Stellen soll Kulturlandschaft erhalten werden, wie zum Beispiel eine alte Hutelandschaft am Fahrentriesch. Mit einer Heidschnucken-Beweidung oder traditionellem Plaggen wurden wertvolle Heiden und Borstgrasrasen erhalten und gefördert.

Das Plaggen ist eine sehr aufwändige alte Nutzungsform: Dabei werden mit Hacken auf kleinen verfilzten Flächen Pflanzendecke, obere Wurzel- und Humusschicht abgetragen, damit sich auf offenen Böden Heide und konkurrenzschwache Kräuter regenerieren und neu ansiedeln können.

2012 wurde der Einsatz eines Rasensondenschneiders getestet, der die Grasnarbe vom Untergrund trennt und in Soden aufrollt. Die Methode erwies sich als effektiv und bodenschonend und damit als gute Alternative zum manuellen Plaggen.

In den teils aus früherer Zeit forstlich geprägten Mischwäldern der Steilhänge von „Hochstein“ und „Hohe Fahrt“ liegen alte, ökologisch wertvolle Waldbereiche, Felsen und Blockhalden. Die naturnahen Buchen-, Eichen- und Eichen-Hainbuchenwälder sollen durch natürliche Dynamik gesichert und in einen ökologisch optimalen Zustand versetzt werden. Ziel ist auch ein hoher Alt- und Totholzanteil.

Damit sich die Laubwaldanteile frei entfalten können, wurden nicht heimische bzw. nicht standortgerechte Baumarten behutsam entnommen:
Konkret wurden Roteichen, Douglasien, Lärchen und Kiefern aus Steilhanglagen vollständig entfernt, Traubeneichen und Rotbuchen freigestellt.

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